Warten auf das Visum vor dem deutschen Konsulat in Moskau. Foto: Photoxpress
Ein Blatt Papier kann für viel Unruhe sorgen. In diesem Fall ist es ein Dämpfer für alle, die an einen baldigen visafreien Verkehr zwischen Russland und Deutschland geglaubt haben. Seit dem ersten November vergangenen Jahres müssen Russlandreisende mit ihrem Visumantrag auch ihre „Rückkehrwilligkeit“ nachweisen. Dafür reicht entweder ein Kontoauszug oder eine formlose Bestätigung des Arbeitgebers.
Prinzip der Gegenseitigkeit
Das russische Außenministerium begründete den Schritt mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit: Für Russen, die nach Deutschland reisen, gelten schon seit längerem ähnliche Bedingungen. Dabei hatten die Ampeln bereits auf Grün gestanden. Beim EU-Russland-Gipfel im Juni 2010 war die Visafreiheit noch in aller Munde. Präsident Dmitri Medwedjew überreichte dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy den Entwurf für ein Abkommen über Visafreiheit. Entsprechende Verhandlungen sollten aufgenommen werden, hieß es nach dem Treffen in Rostow am Don. Von „notwendigen Visaerleichterungen“ sprach auch Bundespräsident Christian Wulff bei seinem Moskau-Besuch im Oktober. Die neuen Visabestimmungen Russlands haben deshalb viele vor den Kopf gestoßen. „Unverständlich und kontraproduktiv“ nennt sie Andreas Schockenhoff vom Auswärtigen Amt Berlin . Dabei hatte Russland selbst schon seit Langem für bessere Einreisebedingungen geworben. Die Bremser saßen eher in Brüssel und in manchen Regierungen der EU. Die nämlich befürchteten einen wachsenden Immigrantenstrom aus Zentralasien. Zu den Fürsprechern für Visaerleichterungen gehören Deutschland, Frankreich und Italien. Gegenwind kommt vor allem aus den baltischen Staaten.
Keine Hoffung in Sicht
Manch europäischer Unterhändler mag gehofft haben, Russland werde die Geduld verlieren und die Visapflicht einseitig aufheben, um Investoren und Kapital für die reformbedürftige Wirtschaft anzulocken. Immerhin hat der Kreml dafür gesorgt, dass ausländische Führungskräfte seit diesem Jahr einfacher an Arbeitsvisum und -erlaubnis kommen. Doch das Kalkül, diese geschäftliche Regelung gelte auch für den Normalreisenden, ist nicht aufgegangen. „Ich halte es durchaus für möglich, dass das russische Außenministerium mit diesem Schritt die Deutschen dazu bewegen wollte, sich in der EU aktiver für die Visafreiheit einzusetzen - zu ihrem eigenen Nutzen“, sagt Nikolaj Petrow vom Moskauer Carnegie-Center. Er verweist auf das Prinzip der Gegenseitigkeit: „Ungleiche Bedingungen zeugen von einem ungleichen Status.“ Brüssel müsse das Thema endlich ernsthaft angehen. „Es wäre schon sehr hilfreich, wenn es wenigstens einen konkreten Zeitplan oder einen detaillierten Forderungskatalog gäbe.“
Diana Laarz ist Redakteurin der Moskauer Deutschen Zeitung.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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